Kreuzerhöhungskirche Traindorf
Die himmlischen Schönheiten von Traindorf
Die vier Engel an der Stirnwand der Kirche „Kreuzerhöhung“ sind mittlerweile berühmt geworden. Der bedeutende Maler Constantin von Mitschke-Collande hat mit ihnen die schönsten Frauen des Oberlandes verewigt.
Lange Zeit hat man gerätselt, welche Personen sich hinter den wunderbaren Engelsfiguren an der Chorwand der Kirche von Traindorf verbergen. Mittlerweile ist alles klar: Ein bedeutender Maler hat kurz nach Kriegsende die himmlischen Schönheiten gemalt: Constantin von Mitschke-Collande. Modell standen ihm die schönsten Frauen Guttenbergs. Sieben Wochen nach Kriegsende - am 6. Juni 1945 - kommt der Künstler nach Guttenberg, an seiner Seite die junge Ehefrau Hilde und ihr vierjähriges Töchterchen Constanze. Ihr Gepäck besteht aus zwei Rucksäcken, alles Übrige - darunter Hunderte von Bildern, die sich in seinem Atelier im Schloss befunden haben - ist bei der Bombardierung Dresdens am 14. Februar 1945 ein Raub der Flammen geworden.
Flucht vor den Russen
Dass sich die Familie auf der Flucht vor sowjetischen Truppen ausgerechnet nach Guttenberg durchschlägt, ist Lazar von Lippa-Sauerma (1908 - 1974) zu verdanken. Er hält sich schon seit Herbst 1944 mit seiner Frau Monika und ihren drei Kindern auf Schloss Guttenberg auf. Der schlesische Adlige wird es sein, der später zusammen mit Karl-Theodor zu Guttenberg (1921 - 1972) die Siedlung Mannsflur planen und realisieren wird. Da der sogenannte „Flüchtlingstrakt" im Schloss überbelegt ist, werden die Collandes von der Familie Reinhold-Müller im Unteren Schloss (Am Bienengarten 2) aufgenommen. Sie beziehen ein enges Zimmer im ersten Stock. Viel lieber jedoch halten sie sich im Wohnzimmer ihrer Gastgeber im Erdgeschoss auf: Hier schlägt der Maler seine Staffelei auf, zeichnet und aquarelliert.
„Hofmaler“ von Schloss Guttenberg
Die drei Kinder Herta, Brigitta und Ernst schließen ihn wegen seines Humors sofort ins Herz. Sie helfen bei der Arbeit, begleiten ihn bei seinen Naturstudien im Grünen. „Die Collandes gehörten ganz einfach zur Familie", erinnert sich Brigitta Lewerenz (geborene Reinhold) heute. Der Künstler geht auch im Schloss ein und aus. Zum „Hofmaler" wird er, als er von Elisabeth von Guttenberg einen Auftrag bekommt: Chor und Apsis der Kirche von Traindorf zu bemalen. Für die Schlossherrin ist dies ein Herzensanliegen. Im Krieg ihren Mann Georg Enoch und den ersten Sohn Philipp Franz verloren, sucht sie Halt im Glauben.
Am 6. Juli 1945 beginnt Collande mit den Porträtzeichnungen. Kaum hat er die Umrisszeichnung an der südlichen Stirnwand der Kirche gesetzt, stellt sich überraschender Besuch ein: Elisabeth von Guttenberg steht in der Kirche, an ihrer Seite die berühmte Therese Neumann, die "Resi von Konnersreuth". Nicht zum ersten Mal hat Elisabeth die stigmatisierte Nonne zum Gespräch ins Schloss geladen. Ernst Reinhold, der als Zehnjähriger dabei gewesen ist, erinnert sich „Collande stieg vom Gerüst herunter und begrüßte sie mit seinem tiefen Bass herzlich".
Schönheitsgalerie des Oberlandes
Anfang September sind die Gemälde fertig. Gestaltet sind vier überlebensgroße Engel in priesterlichen Gewändern, die den Triumphbogen zum Chor überspannen. Sie sind paarweise gruppiert und halten eine Girlande mit dem Jesus-Wort aus Johannes 12,32 in den Händen, das den Namen der Kirche – „Kreuzerhöhung“ - aufgreift: „Wenn ich von der Welt erhöht bin, werden alle zu mir ziehen". Dass Collande, von Krieg und den Verlusten schwer gebeutelt, Zuversicht aus dem Glauben schöpft, ist zu vermuten. Zugleich ist er ein Künstler, der ein humorvolles Spiel mit den Personen treibt, die ihm Modell für die Engel gesessen haben: die attraktivsten Frauen Guttenbergs.
Who is who?
Doch, wer ist wer? Der Engel ganz links in seiner nazarenerhaften Schönheit trägt die Züge Therese von Guttenbergs (1929 - 1953). Als sie Collande porträtiert, ist sie sechzehn. „Resi", wegen ihrer Natürlichkeit von allen Guttenbergern geliebt, heiratet den renommierten Münchner Architekten Alexander von Branca. Kurz nach der Geburt ihres ersten Kindes stirbt sie. Daneben, jungmädchenhaft, mit großen strahlenden Augen, Monika von Lippa (1912 - 1976). Collande gibt ihr die Schönheit ihrer Jugend mit. Das linke Engelspaar verkörpert Engel, die sich dem Menschen zuwenden. Man möge sie Wegbereiter, Helfer oder Schutzengel nennen. Sie begegnen dem Betrachter, der Betrachterin mit offenem Blick, auf Du und Du.
Rechtes Engelspaar: Hinter dem linken Engel verbirgt sich Herta Reinhold. Ihre Lider sind halb geschlossen, ihr Blick ist nach unten gerichtet. Etwas Schüchternes spiegelt sich in der Geste. Collande gibt der Figur mit, was er an der 15-jährigen Herta Reinhold beobachtet: Schönheit und erwachende Erotik. Sie ist der Schwarm der Guttenberger Jungs, die sie zum Beispiel am Mörenreuther Weier, dem damaligen Jugendtreff, umlagern. Als Hauslehrerin am Schloss wird sie später die Kinder unterrichten. Der Engel ganz rechts trägt die Gesichtszüge Elisabeths von Guttenberg (1900 - 1998). Sie wird ernst und streng dargestellt. In Anspielung auf ihre tiefe Frömmigkeit ist ihr Blick zum Himmel gerichtet. Mit der Darstellung des rechten Engelspaars verfolgt der Künstler auch eine spezifisch religiöse Aussage: er möchte den „meditativen“ und den „spirituellen“ Weg des Menschen darstellen - der Mensch, der sich im Gedanken oder im Gebet versenkt (Hertha), und der Mensch, der nach oben aufschaut, zu Gott oder dem Jenseitigen (Elisabeth).
Die Modelle des Malers
Zum Maler der Traindorfer Kirche
Constantin von Mitschke-Collande (1884 - 1956) zählt zu den bedeutenden avantgardistischen Künstlern des frühen 20. Jahrhunderts. Nach dem Ersten Weltkrieg wird er neben Otto Dix, Oskar Kokoschka und Conrad Felixmüller die wichtigste Figur der avantgardistischen Künstlervereinigung der „Dresdner Sezession". Die Kunstdiktatur der NS-Zeit erklärt seine Werke als „entartet". Collandes Werk wird bei der Bombardierung Dresdens im Februar 1945 vernichtet. Auf der Flucht vor der Roten Armee verbringt Collande ein knappes halbes Jahr auf Guttenberg, bevor er am 6. Oktober 1945 mit seiner Familie weiter nach Rothenburg zieht.
Die Baugeschichte der Kreuzerhöhungskirche
Der Bau der zur Kirchenverwaltung Marienweiher gehörenden Kirche „Kreuzerhöhung" in Traindorf wurde im Frühjahr 1935 begonnen. Am 3. November 1935 wurde sie vom Bamberger Erzbischof Jakobus von Hauck geweiht. Der Bau des Münchner Architekten Georg Holzbauers ist im neoromanischen Stil der 30er-Jahre errichtet („deutscher Stil“), der an der Tradition des Mittelalters anknüpft. Der Aufriss des Langhauses, der Apsis und Rundbogenfenster entspricht der Bauform einer Basilika. Als Material wird blauer Naturbruchstein (Diabas) verwendet, den die Traindorfer auf einem Anhang Meter hinter der Kirche selbst abgebaut haben.
Kreuzerhöhungskirche Traindorf
Text: Wolfgang Schoberth
Fotos: Wolfgang Schoberth